Tortuga Verde und Tortuga Paslama (Schildkröten)
Wir befinden uns im Refugio de Vida Silvestre la Flor, am Pazifik in Nicaragua. Was uns hier erwartet, übertrifft die kühnster aller unserer Vorstellungen.
Nachdem wir am Nachmittag die Rancherstation besichtigen, kleine Babyschildkröten in Körben und Säcke mit Eiern sehen, dürfen wir am Abend dieselben Babyschildkröten am Strand aussetzen und ihnen helfen, den Weg ins Wasser zu finden. Die Paslama Schildkröten bewegen sich langsam fort, die Tortuga Verde hingegen wesentlich schneller. Welch’ ein Spektakel, diesen kleinen Wesen dabei zuzusehen, wie sie am ersten Tag ihres Lebens den Weg ins Wasser finden.
Im Laufe der Nacht schlüpfen am Strand tausende von kleinen Schildkrötenbabys. Sie graben sich aus ihrer Eierschale durch den Sand an die Oberfläche und machen sich auf in Richtung Meer. Überall lauern Gefahren. So müssen wir etliche Schildkröten von Krebsen befreien, welche diese erbarmungslos in ihre Löcher hinunterziehen. Was für ein harter Start ins Leben. Nur jede zehnte Schildkröte überlebt die ersten paar Tage.
Um zwölf Uhr Nachts, bei Flut, sollen die grossen Schildkröten zum Eierlegen kommen. Die Saison ist fast vorbei. Aber wenn wir Glück haben, sehen wir noch eine oder zwei.
Es ist eine klare Vollmondnacht. Wir haben Glück. Und wie. Pünktlich um Mitternacht kommt die erste Tortuga Paslama an den Strand geschwemmt und sucht sich einen Platz im Sand für ihre Brut. Die Schildkröte ist riesig, sicher einen Meter lang. Hat sie erst mal einen Platz gefunden, schart sie lange mit den Hinterfüssen ein Loch in den Sand. Wir sitzen hinter der Schildkröte, ohne helles Licht versteht sich, und können aus nächster Nähe diesen Vorgang mitverfolgen. Ist das Loch gross genug, hört die Schildkröte auf zu graben. Ruhig bleibt sie über dem Loch liegen. Es verstreichen einige Minuten.
Mittlerweile sind zwei Militaristen und ein Rancher eingetroffen, welche uns alles bis ins kleinste Detail erläutern. Das Militär hat hier den Auftrag, die Rancher bei ihrer Arbeit zu unterstützen, sowie den Strand vor Eierdieben zu schützen. Ist doch noch ein cooler Militärdienst.
Nun sind auch unsere Kinder mit von Partie. Mitten in der Nacht am Strand, welch‘ ein Erlebnis.
Sobald die Schildkröte mit Eierlegen beginnt, gräbt der Rancher zwischen ihren Hinterfüssen ein Loch, sodass wir den Prozess des Eierlegens ganz genau beobachten können. Die Schildkröte hebt die Hinterfüsse leicht an und schon plumpsen einige Eier ins Loch. Der Rancher nimmt die Eier laufend heraus und legt sie in einen Korb. Wir dürfen ein Ei in die Hand nehmen. Die pingponggrossen, weissen Eier fühlen sich erstaunlich schwer und weich an.
Nach einer halben Stunde hat die Schildkröte alle rund hundert Eier gelegt und ruht sich einige Minuten aus. Anschliessend geht‘s ans Zugraben des Nestes. Sind die Eier erst einmal in Sicherheit, sucht sich die riesige Schildkröte ihren Weg zurück ins Wasser. Mit den nächsten Flutwellen lässt sie sich hinaus treiben und weg ist sie.
Paslama Schildkröten werden bis zu 100 Jahre alt. Drei Mal in ihrem Leben legen sie den weiten Weg vom Süden in Chile zurück an ihren Geburtsplatz, um ihre Eier sicher im Sand zu vergraben.
Am nächsten Morgen sieht der Strand aus wie am Tag zuvor. Nichts lässt auf das Spektakel der Nacht schliessen. Restlich alle Schildkrötenbabies haben entweder ihren Weg ins Meer geschafft oder sind unterwegs bereits gefressen worden.