Tepic – Morelia
Nach einem Zwischenstopp in Tepic, einer recht fortschrittlichen, Stadt geht’s über Tequila nach Villa Corona. Dem herzigen Städtchen Tequila statten wir nochmals einen Besuch ab. Die Fahrt durch die engen, kopfsteingepflasterten Strassen wird zur echten Herausforderung. Präzisionsarbeit ist gefragt, um unseren Speedy heil wieder raus zu bringen. Zudem muss man ein bisschen dreidimensional schauen. Unten hat es Löcher im Asphalt, oben Leitungen, welche ab und zu durchhängen und links und rechts Autos, welche einem den Weg versperren. Zum Glück ist Roman ein derart weitsichtiger Fahrer. Mona hüpft das Herz schon beim blossen Zuschauen in die Hose.
Villa Corona ist ein wirklich entzückendes Dorf, eng und voller Leben. Auf dem Dorfplatz finden gerade Chilbi und ein megamässig lautes Konzert statt. Selbst auf dem zwei Kilometer entfernten Camping fühlt man sich noch wie mitten drin.
Der Camping mit der riesengrossen Aqualandschaft allerdings ist enttäuschend. Auch hier fehlt der Strom noch (Saisoneröffnung vor ein paar Tagen) und diverse Arbeiten sind im Gange. Warum auch vorzeitig arbeiten, wenn man es im letzten Moment erledigen kann? Und dann noch in einer Seelenruhe. Aber eins muss man den Mexikanern lassen. Die Arbeitszeiten sind enorm lang; morgens um sieben stehen alle auf dem Platz, abends um sechs verlassen sie diesen wieder. Dazwischen gibt es eine kurze Siesta.
Aber hauptsächlich enttäuscht sind wir von den Bädern, wegen welchen wir hier sind. Die Bäder sind fast alle geschlossen, die Rutsche und die Kinderlandschaft sind mal kurz eine halbe Stunde offen, dann ist auch dieser Spass vorbei. Bei den Rutschen ist noch zu erwähnen, dass das Tempo, das man darauf zurücklegt mit dem in der Schweiz nicht zu vergleichen ist. Es ist eine echte Zombiefahrt und uns wird angst und bange. Da das Becken untere einer Rutsche zu kurz konzipiert wurde, knallt man nun beim Abbremsen an eine Matte.
In Mexiko tickt die Uhr schon ganz anderes. In der Schweiz geht nichts über Sicherheit. Hier zählt noch die blosse Kraft des einzelnen Mannes. Die Männer auf dem Camping schneiden gerade die Bäume. Zur Hand haben sie eine alte Kettensäge, das Baujahr will ich lieber nicht wissen. Diese Kettensäge wird befestigt, damit sie beim eventuellen Herunterfallen nicht kaputt geht. Dann steigt der Arbeiter auf einer halbmorschen Leiter nach oben und beginnt den Ast zu schneiden, ungesichert natürlich. Unten stehen vier weitere Männer und schwatzen ein bisschen rum. Ast Nummer eins kracht nach unten. Alles klappt. Ast Nummer zwei ist schon schwieriger und mit der Leiter kommt der Arbeiter nicht gut ran. Improvisation ist gefragt. Innert kürzester Zeit steht ein Traktor vor Ort. Ein Seil wird am Ast und zugleich über einen weiteren Ast am Traktor befestigt. Die Konstruktion sieht schon beim blossen Zuschauen gefährlich aus, zumal unten ein bewohnter Wohnwagen steht. Es kommt, wie es kommen muss. Der Traktor fährt los, der Ast bricht ab, baumelt am Seil nach vorn und dann mit voller Wucht zurück direkt in die Sonnenstore, welche am Wohnwagen montiert ist, oder jetzt war. Die nächsten vier Stunden sind vier Männer und die Wohnwagenbesitzer mit dem Flicken der Store beschäftigt. Unglaublich. Aber wirklich unglücklich sind bloss die Wohnwagenbesitzer. Ihre vorher intakte Sonnenstore gleicht nun einem mexikanischen Gebastel.
Ja, in Mexiko wird viel gebastelt. Dafür hat auch jeder hier die Fähigkeit, alles irgendwie doch noch zu reparieren. Und im Gesamten klappt es ja, oder?
Nach einem kurzen Zwischenstopp in Guadalajara geht’s über Uruapan nach Morelia. Wir fahren durch winzige Dörflein. Die Frauen tragen diese wunderschöne, farbenfrohe Tracht. Es ist gerade Sonntag. Verkauft wird je nach Dorf selbstangefertigter Schmuck, Möbel oder Kleider. Zum ersten Mal seit wir in Mexiko sind, treffen wir auf solche indigenen Dörfer. Anhalten können wir leider nicht. Es gibt bloss die Durchgangsstrasse und für unseren Speedy gibt es keinen Parkplatz. Aber beunruhigen tun uns andere Gestalten, die wir auf demselben Weg antreffen – junge, vermummte Männer mit schusssicherer Weste und Maschinenpistolen auf Pickups und hinter Festungen aus Sandsäcken am Strassenrand. Was ist da los? Wir sind doch nicht in Guerrero. Dort soll es gefährlich sein. Wir sind jedoch auf der Hut und heilfroh, dass der von uns angesteuerte Camping in Uruapan sich hinter Mauern bei einem wunderschönen Hotel befindet.
Der Parque Nacional Barranco del Cupatitzio mitten in Uruapan ist herrlich entspannend. Es erinnert uns stark an die Plitvicer Seen in Kroatien. Der anschliessende Besuch des Paricutin Volcano, welcher am 20. Februar 1943 mitten auf dem Feld von Dionisio Pulidos entstanden und einen Tag später bereits 50 Meter hoch war, geht regelrecht in die Hose. Wie erwartet stehen am Dorfrand einige Männer, welche uns zum Parkplatz im Dorf bringen wollen, sie auf dem Pferd, wir im Speedy. Als die Strassen zu eng und die Girlanden des Marktes zu tief werden, brechen wir, entgegen der Meinung der Führer, die Übung ab. Schade. Das wäre sicher ein tolles Erlebnis gewesen. Und die Kinder wären nur zu gerne auf Pferden zum Vulkan geritten. Vor allem Riona war riesig enttäuscht.
Unsere nächste Destination heisst Patzcuaro. Bereits auf den ersten Blick scheint hier alles weit weniger kriminell als in Uruapan. Und auf dem Camping hat es sogar einen Spielplatz. Herrlich. Alle sind zufrieden! Wir besichtigen die herzige Stadt mit all den vielen Winkeln und Gässchen. Touristisch, aber trotzdem den mexikanischen Charme bewahrt.
Die Isla Janitzio, welche wir von Patzcuaro aus mit dem Boot besichtigen, ist ein echter Volltreffer. Sie ist eine von drei Inseln auf dem Lago de Patzcuaro und sehr auf Touristen ausgerichtet, aber auf eine ganz angenehme, schöne Art. Verkauft werden Unmengen von wunderschöner Handwerkskunst. Wären wir nicht noch weitere acht Monate unterwegs, würden wir uns sicher dieses oder jenes leisten. So belassen wir es beim Besichtigen der Insel, vieler Fotos, einem feinen Mittagessen und dem Besteigen der Morelos-Figur auf dem Gipfel der Insel.
Eigentlich wollten wir noch eine zusätzliche Nacht in Patzcuaro anhängen. Als dann aber der Stier aus dem Nachbarsgarten den Zaun niedergerissen hat und friedlich grasend unweit unseres Wohnmobiles steht, beschliessen wir, den Camping doch lieber gleich zu verlassen.
Seit Tepic sind wir, so scheint es uns, die einzigen Ausländer, die unterwegs sind. Ist schon ein bisschen komisch, so. Alle rund um uns sind Einheimische oder Landsleute. Wo bleiben die anderen Travellers? Uns fehlt der Austausch an Reiseinfos.
Nebenbei: Roman hat die Weihnachtsbeleuchtung im Speedy installiert, was unsere Behausung sogleich viel gemütlicher macht.